1. Etappe – eine Analyse

Nach gut anderthalb Jahren Vorbereitung und den ersten 1.100 sm der Transquadra ‚im Sack‘ wird es Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Wo stehen wir? Was können wir? Hier der Versuch einer Analyse.

Die Vorbereitung

Gefühlt sind wir vorher zu wenig gesegelt, obwohl wir bereits knapp 1.000 sm in diesem Jahr mit der Frida absolviert hatten. Die Überführung von Kiel nach Lorient mit immerhin gut 850 sm hatte keine vergleichbaren Windbedingungen, so dass wir die bei der Transquadra vorherrschenden Kurse nicht gesegelt sind.
Trotzdem waren gerade die Tage mit starken bis stürmischen Winden gut … gut zur Vertrauensbildung in die Frida. Das Schiff ist robust und zuverlässig. Die Punkte, die noch verbesserungswürdig erschienen, hatten wir weitgehend erledigen können, so dass wir ‚technisch‘ gut gerüstet waren.

Mit den abendlichen Trainingstörns vor Lorient und der Regatta um die Île de Groix konnten wir noch mal etwas mehr Selbstvertrauen fassen, vor allem hinsichtlich der Manöver. Was fehlte, war der direkte Vergleich mit baugleichen Schiffen, um die eigene Performance bewerten zu können. Unser ‚Maß der Dinge‘ war die Performance Curve im Adrena. Aber was die wert war, wussten wir nicht.

Der Start

Wir sind keine ausgewiesen guten Starter. Dazu fehlt einfach die Erfahrung, sich in einem großen Feld durchzusetzen. Unsere Starttaktik war deshalb eher defensiv: Raus aus den großen Pulks, lieber in etwas schlechterer Position, aber mit freiem Wind und etwas Platz nach Lee starten. Erfreulicherweise gelang uns das auch. Auf der Startkreuz konnten wir bei 3 Bft. ohne Abstriche mit den anderen JPK10.80 mitfahren. Sicherlich kam uns hier die etwas größere Fock der Frida zugute.

Start vor Lorient
Die Frida beim Start vor Lorient (7. Schiff von rechts, mit gelbem Vorsegel)

Auf der Startkreuz – mit klassischen Up-and-down-Bedingungen waren wir gut dabei, ab und zu sogar mit einer leichten Überlegenheit beim Höhelaufen, so dass wir uns im direkten Duell durchsetzen konnten.
Im Übereifer überfuhren wir leider die Layline. Das kostete etliche Plätze und so rundeten wir die Luvtonne mit einer knappen halben Seemeile Rückstand auf den führenden Duo.

Soweit (fast) alles richtig gemacht.

Die Biskaya

Unser Kurs führte etwas weiter westlich auf die Biskaya als das übrige Feld. Wir wollten die von Westen einsetzende frische Brise etwas früher einfangen. Das zahlte sich nicht aus. Auf einem etwas tieferen Kurs fuhr das Feld guten Speed. Wir hatten allerdings keinerlei ‚Zweikämpfe‘ mehr zu befürchten. Mutterseelenallein konnten wir ‚unseren Stiefel‘ fahren. Es ist übrigens erstaunlich, wie schnell sich das Feld verteilt und man ‚für sich‘ ist. Ohne den fehlenden Vergleich zu anderen Yachten ist es umso schwerer, dauerhaft die eigene Leistung zu überprüfen. Man segelt gegen die Performance-Curve – in der Hoffnung, dass das ausreicht.

Vor dem Start hatten wir uns ganz klar auf eine ‚materialschonende‘ Fahrweise geeinigt, d. h. keine ‚wilden Manöver‘ und eher zu früh als zu spät auf den kleineren Spinnaker wechseln. Immerhin müssen die Segel knapp 4.000 Seemeilen bzw. ca. 600 Segelstunden durchhalten. Ein irreparabel beschädigter S2 wäre das Ende aller ambitionierten Träume – die wir durchaus noch haben – und sicherlich nur der halbe Spaß.

Und so ziehen wir den S4, wenn es dauerhaft mit mehr als 23 kn weht, und wechseln unterhalb von 6 Bft. wieder auf den S2. Mit hoher Wahrscheinlichkeit lassen viele Crews den großen Spinnaker länger stehen bzw. fahren Windfelder und Fronten mit mehr Wind damit aus. Wir wollen weiterhin auf der ’sicheren Seite‘ bleiben … das gilt auch für die meisten Manöver. So haben wir die Halsen mit Segelwechseln verbunden. Wenn man Jean-Pierre Kelberts Blog liest, wie er solo Spi in Spi setzt, muss man neidlos anerkennen: Da können wir nur schwer ‚mitspielen‘!

Andererseits ist jeder fuck up um Längen kostspieliger – zeitlich und kräftemäßig. Die Shaitan hat angeblich zwei Stunden – mit einem Mann im Mast – ihren Spinnaker aus dem Rigg geborgen (und war trotzdem vor uns im Ziel). Kann man machen … wir besser nicht.

Auf dem Downwind-Kurs des ersten Tages konnten wir uns nicht viel vorwerfen. Der Speed hat – gemessen an unserem Bootshandling – gestimmt und wir lagen im 12 Uhr (UTC) Positionsreport ca. 10 sm und weitere 6 Stunden später ca. 15 sm hinter der erstplatzierten Agence Directe … mehr oder weniger gleichauf mit den anderen Verfolgern.

17. Juli 2017 | 18 UTC

In den Abendstunden des 17. Juli wurde der Wind erwartungsgemäß weniger. Zu diesem Zeitpunkt waren wir sehr unentschlossen, was die weitere Route angeht. Kürzerer Weg mit ungünstigerer Windvorhersage entlang der Küste oder die längere Route seewärts mit der etwas besseren Windprognose. Gegen Mitternacht landeten wir für einige Stunden in der Flaute, während um uns herum (fast) alle fuhren … insbesondere unsere direkten Konkurrenten.

18. Juli 2017 | 06 UTC

Als wir uns schließlich bei 25 kn unter Solent und erstem Reff an der Kreuz wiederfanden, war es geschehen. Wir hatten innerhalb weniger Stunden etliche Seemeilen eingebüßt und waren schlechter positioniert als alle anderen. Ein schwacher Trost, dass Bouznik‘, eben noch fast gleichauf mit Agence Directe, sich ebenfalls für die seeseitige Passage des TSS entschied und deutlich an Boden verlor.

18. Juli, 12 Uhr UTC

Name DTL CMG 24h
Agence Directe +0,0 164,1
Bouznik‘ +13,1 154,8
LS Résa +40,9 142,8
Frida +38,3 136,0

Kap Finisterre

Man sagt, die erste Etappe der Transquadra wird hier, am Kap Finisterre, entschieden. Nach etwa einem Drittel des Kurses steht die weitreichende Entscheidung an, ob man das TSS land- oder seeseitig passiert. Dazu können Wetterveränderungen kommen, die die weitere Route maßgeblich beeinflussen.
Wir waren fest entschlossen, seeseitig zu passieren. Leider ließen wir uns durch das frühzeitige Einsetzen der Flaute mit anschließendem Südwestwind etwas ‚aus der Fassung‘ bringen. Die knifflige Wetterkonstellation brachte uns Rookies an die Grenze unserer bisherigen Regattaerfahrungen. Letztlich zogen wir uns auf die – unserer Meinung nach – ’seemännischere‘ Variante (O-Ton des Skippers) zurück und nahmen den längeren Weg seeseitig in Kauf.

Zum Zeitpunkt der Rundung des nordwestlichen Begrenzungspunktes des TSS lagen wir ca. 8 sm hinter LS Résa und ca. 33 sm hinter Bouznik‘.

19. Juli 2017 | 00 UTC

Ab hier begann das Drag Race nach Madeira.

Die portugiesische Küste

Die grundsätzliche Abwägung bestand darin, einen direkten Kurs nahe am Azorenhoch mit schwächeren Winden zu segeln oder eine Route ‚links vom Kurs‘ in stärkerem Wind, aber mit längerem Weg.
Ließ man Adrena ein Routing rechnen und die Isochronen darstellen, zeigte sich, dass es ein breites Band von nahezu zeitgleichen Routen gab. Als rechnerisch optimale Route (basierend auf den GRIB- und Polardaten) ergab sich ein deutlicher Leebogen mit südlichem Kurs bis Lissabon und dann langsamem Einschwenken auf den direkten Kurs Richtung Madeira.

Unsere Konkurrenten, die größtenteils einen direkteren Kurs segelten, konnten uns kontinuierlich Meilen ‚abnehmen‘. Die 24h-Etmale unserer direkten Konkurrenten sind fast durchweg größer.

19. Juli, 12 Uhr UTC

Name DTL CMG 24h
Agence Directe +0,0 149,1
Bouznik‘ +5,7 156,4
LS Résa +34,3 160,3
Frida +47,8 139,0

20. Juli, 12 Uhr UTC

Name DTL CMG 24h
Agence Directe +0,0 210,7
Bouznik‘ +18,2 198,4
LS Résa +50,9 198,3
Frida +69,3 191,1

21. Juli, 12 Uhr UTC

Name DTL CMG 24h
Agence Directe +0,0 214,7
Bouznik‘ +20,8 210,2
LS Résa +51,0 216,6
Frida +76,5 209,0

22. Juli, 12 Uhr UTC

Name DTL CMG 24h
Agence Directe finished
Bouznik‘ +0,2 185,4
LS Résa +8,0 204,4
Frida +43,4 195,7

… und im Zeitverlauf

Distance to Leader

Uns fehlen ca. 5-10% Speed gegenüber den Top 5 … das ist im Segelsport eine Menge. Unser Schwachpunkt auf Vorwindkursen, im Vergleich zur Konkurrenz, liegt zurzeit im unteren Windbereich bis 16 kn. Hier müssen wir auf der zweiten Etappe viel konsequenter max. VMG segeln. Offensichtlich sind wir bisher zu ’starr‘ die rechnerische Route ‚abgesegelt‘. Es erfordert einiges an Erfahrung, die Unterschiede zwischen GRIB-Winddaten und realen Verhältnissen – meist sind es nur wenige Grad Unterschied – in einen optimalen Kurs umzusetzen. Auf tiefen Kursen bei schwachen und mittleren Winden werden 5° Unterschied in der TWD leicht zu 10° Unterschied im AWA, die zu spürbaren Geschwindigkeitsänderungen führen können. Im Zweifel mit max. CMG aufs Ziel zu … ohne dabei ‚völlig in die Wicken zu fahren‘.

Zielansteuerung

Die Ansteuerung des Archipels war nicht gut vorbereitet. Insbesondere die Passage der vorgelagerten Insel Porto Santo mit ihrem ausgeprägten Windschatten in Lee wurde zu spät durchdacht und entschieden.
Schaut man sich den Tracker in der Wiederholung an, konnten wir allerdings mit der südlichen Passage einige Plätze gutmachen bzw. mindestens unseren Platz behaupten.
Für die zweite Etappe wollen wir ein Pre-Routing für die ‚letzten 100 Seemeilen‘ haben. Unser Zielhafen Le Marin liegt auf der Leeseite von Martinique, die letzten Meilen werden also in deutlich schwächerem Wind zu segeln sein. Die vorherrschenden Windverhältnisse sind recht zuverlässig vorherzusagen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert