Von Kiel nach Lorient – die ersten 72 Stunden

Mittwoch, 31. Mai

Der erste Tag beginnt früh, nachdem wir bereits am Vorabend nach Kiel gefahren waren und die Frida von Schilksee nach Holtenau gebracht hatten. Gegen 5:30 Uhr sind wir vor der Schleuse in Holtenau und bereits kurz nach sechs  auf dem Nord-Ostsee-Kanal. Die folgenden zehn Stunden sind die erwartete Eintönigkeit: Motorfahrt mit 5,5 kn und starkem Westwind, immerhin bei Sonnenschein! Genügend Zeit, um noch ein paar Handgriffe am Schiff zu tun und die kurze Nacht zu kompensieren. Die Elektronik hatte uns in den vergangenen Vorbereitungswochen erhebliche Probleme bereitet und uns gezwungen, kurz vor Abfahrt noch einen neuen Bordrechner zu installieren … mit all den Problemen, die eine Neuinstallation mit sich bringt. “Never change a running system!” Ist aber manchmal nicht zu vermeiden.

Da die Tide in Brunsbüttel erst in den Abendstunden abläuft, haben wir noch etwas Zeit bis zum Schleusen. Gegen 19:30 Uhr empfängt uns die Elbe mit ruppigen Bedingungen. Auf den ersten Meilen haben wir noch Gegenstrom, doch als die Tide kentert, geht es trotz Amwindkurs mit flotter Fahrt bei 5-6 Bft. unter Genua und 1. Reff in Richtung Elbmündung. Unsere Entscheidung steht fest: Wir wollen den Wind nutzen, solange er noch da ist. Die Vorhersagen für die nächsten Tage versprechen vorherrschend leichte und umlaufende Winde.

Donnerstag, 1. Juni

Scharhörnriff passieren wir kurz vor Mitternacht. Mit einem leichten Schrick in den Schoten geht es am Wind bei 6 Bft. die deutsche Nordseeküste entlang. Die Frida macht gute Fahrt. Die Nacht ist kalt, gefühlt eisig. Wir gehen jeder abwechselnd drei Stunden Wache. Danach ist man reif für die Koje. Gut, dass die Nächte so kurz sind. Ab vier Uhr wird es bereits wieder hell … das ist gut für die Moral. Ein paar Stunden später wärmen auch die Sonnenstrahlen wieder und der Wind schläft langsam ein. Vor Borkumriff kommen wir dann für Stunden endgültig zum Stillstand. Und noch besser: Die Tide zieht uns langsam in die Osterems. Zeit zum Baden ist trotzdem. Bei 12 °C Wassertemperatur dauert der Spaß aber nicht lange. Gegen Abend setzt ein leichter Wind ein und wir “entkommen” unter Spinnaker dem Borkumriff.

Freitag, 2. Juni

Die ganze Nacht segeln wir bei leichten achterlichen Winden die holländische Küste entlang. Beim Morgengrauen entscheiden wir uns, auf Höhe Vlieland das TSS1 zu kreuzen. Immer noch unter Spinnaker gelingt uns das zügig, allerdings erfordert der dichte Schiffsverkehr einige Ausweichmanöver. Mit Hilfe des AIS lassen sich diese jedoch gut vorhersehen und planen.

Die Windvorhersage bevorzugt eine Route entlang der ostenglischen Küste. Mit dem A5 – als Code 0 “missbraucht” – kommen wir trotz der weiterhin schwachen Winde gut südwestwärts voran. Mit dem einsetzenden Winddreher auf Südwest wechseln wir auf die Genua und segeln hoch am Wind, mal eher westwärts, mal eher südwärts. Der Autopilot macht einen guten Job, so dass wir uns ums Schiff kümmern können. Schon sind kleinere Reparaturen zu erledigen und “Projekte” fertigzustellen. Am Abend haben wir soweit alles erledigt. Unser gerechnetes Routing ist uns leicht voraus: Morgen Abend sollen wir auf Höhe Dover sein. Mal sehen, was die Nacht uns bringt …


  1. Traffic Separation Scheme = Verkehrstrennungsgebiet ↩︎

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