Tag 14 auf See und Zieleinlauf

24. Februar

Was für eine erholsame Nacht! Also wenn man eine Atlantiküberquerung ohne Regattamodus fahren würde … so müsste sich das in etwa anfühlen! Etwas übertrieben, aber wir sind juut druff 😉

Auch dem A5 haben wir verziehen. Er darf wieder aus dem Sack und uns etwas fordern. Mittags erfolgt mal wieder ein ‚Befreiungsversuch‘: Der Schäkel der Tackline1 geht auf.

Es folgt eine Fehlentscheidung: Da der Spibaum zusätzlich auch noch durch den ’normalen‘ Baumniederholer gehalten wird, wollen wir die Tackline unter Segeln wieder anschlagen. Dazu muss der mit dem Spibaum nach Luv gezogene Gennakerhals ans Vorstag gefiert werden, um in Reichweite zu kommen. Damit kommt der Gennaker aber in die Abdeckung des Großsegels und steht nicht mehr stabil. Einen spitzeren Kurs können wir aber auch nicht fahren, da es uns bei 25 kn Wind sofort auf die Seite legt. Es ist ein Vabanquespiel. Tim bekommt den Schnappschäkel am unruhig zerrenden Gennaker nicht eingehängt. Als ich nach einem Beinahesonnenschuss einen Augenblick zu tief steuere, fängt sich der A5 den Toppnant und wickelt ihn sauber ein. Der Versuch, die ‚Eieruhr‘ wieder herauszusegeln geht schief, stattdessen schlingt sich der A5 auch noch um das Vorstag, wickelt sich damit zu einer untrennbaren Einheit ein. Wir machen noch den Versuch, durch Hin- und Zurückhalsen die Situation zu klären, aber ohne Erfolg. Im Gegenteil, Wicklung um Wicklung macht der Gennaker um das Vorstag. Der Gennaker muss runter! Wir zerren ‚die Wurst‘ am Vorstag herunter und versuchen, die 100 qm auf dem Vordeck im Zaum zu halten und gleichzeitig das Vorstag vom Gennaker zu befreien, d. h., das gesamte Tuch muss Wicklung um Wicklung um das Vorstag herum. Dabei rutscht ein Teil des bereits geborgenen Segels unter der Leereeling ins Wasser … das hässliche Geräusch reißenden Segeltuchs erklingt … Sekunden später ist der A5 hinüber.

Wir brauchen eine weitere gute halbe Stunde, um uns wieder zu sortieren. Das war vollends überflüssig! Wieso haben wir den Gennaker nicht einfach geborgen, neu angeschlagen und gesetzt!? Das hätte zwar auch eine Viertelstunde und einiges an Arbeit bedeutet, aber es wäre weit weg von der Harakiri-Aktion von eben gewesen. Der Totalverlust des A5 ist insofern schade, als dass der – auf den richtigen Kursen – ein wirklich gelungenes Segel war. Sehr gut verarbeitet und gute Performance. Dass wir den hier kaputt bekommen, daran hätten wir nicht geglaubt.

Für den ‚Fahrtensegler-Modus‘ sind wir dann doch noch zu ehrgeizig, muss eben der S2 hoch, zumal der Wind weiter nachgelassen hat: im Mittel 20 kn mit Böen um 25 kn. Wir bauen das ‚Geschirr‘ um, takeln in diesem Zuge gleich noch ein paar verschlissene Schoten und Achterholer und setzen den großen Spinnaker. Mit Volldampf gehen wir nun in die letzten 60 Seemeilen. Das müssen wir auch, denn achteraus wird die Vari, eine SunFast 3600, immer größer.

Mit dem großen Spi können wir unseren Verfolger in Schach halten und sogar wieder etwas Distanz zwischen uns bringen. Die letzte Halse auf den finalen Bug Richtung Martinique machen wir eigentlich ganz gut – vom Timing als auch vom Manöver -, aber ein weiter rechtsdrehender Wind zwingt uns, die letzten 20 sm bis zur Südspitze der Insel sehr tief zu segeln. Die große, quer unter dem Schiff durchlaufende Dünung macht den Kurs nicht einfacher. Schließlich quetschen wir uns an der L’Îlet Cabrits und den vorgelagerten Untiefen gerade so vorbei und können bei guter Brise und flachem Wasser die letzten Meilen bis zur Zielansteuerung anliegen. Drei Kreuzschläge und wir queren 22:09:20 UTC nach 14 Tagen, 7 Stunden, 9 Minuten und 20 Sekunden als 15. Schiff unserer Wertungsgruppe die Ziellinie. Transquadra, c’était tout!


  1. Die Tackline hält den Gennaker bei der üblichen Fahrweise an der Delphinière, dem kurzen Bugspriet der Frida. Bei ausgebaumter Fahrweise nutzen wir die Tackline als Baumniederholer.] 

5 Gedanken zu “Tag 14 auf See und Zieleinlauf

  1. …aber sollte dieses Gewickel um das Vorstag nicht mit der „belgischen Fock“ verhindert werden? Das es euch trotzdem so oft passiert ist … hattet ihr die nicht aufgezogen?

    1. Guter Punkt. ?
      Man hat sie eben nie oben, wenn man sie braucht. Da muss man konsequenter sein: Ist ein Spinnaker oben, dann ist auch die „belgische“ oben. Die hätte uns den A5 mit hoher Sicherheit gerettet.

        1. Zumindest werden die nicht einfacher. Man muss zwar nichts ‚bedienen‘, aber übersichtlicher wird es auf dem Vorschiff für den Bowman auch nicht. 😉

  2. Hallo Tim & Andreas!
    Herzlichen Glückwunsch zum Ankommen, zum starken Ergebnis und ganz sicher auch großen Erlebnis. Ich würde immer noch gerne das Interview führen. Möglichst bald, das wäre wichtig. Welche Chancen habe ich in den kommenden Tagen?
    Herzliche Grüße aus Hamburg
    Tatjana Pokorny

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