Tag 10 auf See

20. Februar

Nun machen die Squalls sogar schon tagsüber Jagd auf uns. Gegenüber nachts ist es aber nur der halbe Schrecken. Frühzeitig können wir die Wolkenfelder erkennen und ihre Zugbahn beobachten – üblicherweise ziehen sie um etwa 20 Grad rechtsgedreht mit dem Wind, also bei den vorherrschenden Windrichtungen von 60-70 Grad ziemlich genau nach Westen.

Wir positionieren uns in Lee voraus der Wolke und lassen sie nördlich an uns heranziehen. Das Ziel ist weniger der stärkere Wind als vielmehr der deutliche Linksdreher des Windes am südlichen Rand der Wolke, der uns einen südlicheren Kurs ermöglichen soll.

Das klappt auch alles gut, und die Wolke schleppt uns ein gutes Stück mit. Der Wind frischt bis auf 27 kn auf und dreht um 50 Grad nach links auf Nord. Für den großen Spinnaker ist das schon eine Zumutung. Unter einer zweiten Wolke sind es dann über 30 kn Wind, die die Frida auf über 16 kn beschleunigen. Tim und ich sind inzwischen ganz schweigsam geworden. Die Chancen stehen gut, dass irgendwas zu Bruch geht. Aber runter bekommen wir ihn jetzt auch kaum, also heißt es, Zähne zusammenbeißen.

As der Wind etwas Luft holt und auf 24 kn ‚abflaut‘, bergen wir schnell den Spi. Vermutlich gerade noch rechtzeitig, bevor er aus den Lieken gekippt wäre. An einigen Stellen hat sich bereits das Tuch aus den Lieken gezogen. War wohl doch etwas viel … ?

Minuten später ist das Windfeld der Wolke abgezogen. Der kurze Spaß hat uns einiges gekostet. Den S2 dürfen wir jetzt wirklich nur noch im unteren und mittleren Windbereich – bis max. 20 kn – einsetzen, um nicht das Risiko einzugehen, dass er irreparabel beschädigt wird.

Wir zücken den S4 aus dem Sack, und bei auffrischendem Wind geht es in die Nacht. Die ersten Nachtstunden sind wieder sternenklar und vom Mond beleuchtet. Später ziehen die ersten Squalls auf. Gegen 5 Uhr – eigentlich ist es erst 1 Uhr nachts, aber wir haben immer noch UTC als Bordzeit – ruft mich Tim an Deck: Der S4 ist nach einem Sonnenschuss ‚zerplatzt‘ und hängt in zwei Hälften in den Lieken. Wir zerren die Reste vom Spi runter. Keine Frage, Totalschaden. Hier gibt es nichts zu reparieren. Kurzzeitig sind wir echt am Boden. Der S4 darf nicht kaputt gehen – schon gar nicht bei derartigen Bedingungen. Eher muss die Crew die Hosen voll haben, bevor der Spi ‚hinschmeißt‘. Angesichts der kommenden Tage mit viel Wind bedeutet der Ausfall des S4 so etwas wie eine Vorentscheidung. Ein paar Schiffe wollten wir ja gern noch schlagen: Shaitan, AD Nantes …

Da es immer noch mit 5-6 Windstärken bläst und Squalls zu erwarten sind, entschließen wir uns, den A5 am Spibaum zu fahren. Normalerweise wird der A5 – als ausgemachter Reacher – für spitze Raumschotkurse an der Delphiniere, dem kleinen Bugspriet der Frida, gefahren. Für tiefe Raumschotkurse bekommt er dann ab er durch die Abdeckung des Großsegels zu wenig Luft und fällt ein. Abhilfe schafft – wie bei einem symmetrischen Spinnaker – das Ausbaumen nach Luv mit einem Spibaum. Gesagt, getan: Eine Stunde später haben wir das Schiff klariert, auf das neue Setup umgerüstet und sind wieder auf Kurs. Bereits eine halbe Stunde kann der A5 in einem Squall mit 33 kn Wind in der Spitze mal zeigen, was er drauf hat: Das Speedo zeigt kurzzeitig über 17 kn.

2 Gedanken zu “Tag 10 auf See

  1. Moin. Morgens den Rechner anschalten, einen Kaffee in der Hand und neidisch werden. Danke für die tollen Berichte, die mich immer wieder aus dem Alltag holen. Ich wünsche Euch, trotz der Schäden an den Segeln, gute Laune, einen tollen Endspurt und eine, für Euren Anspruch ausreichende Platzierung. Gruß aus Hamburg

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